Der werdende Opa

Das glaubt mir kein Mensch! Ich habe zu dem werdenden Opa gesagt, er soll mal eben zum Fotograf gehen, damit ich ein aktuelles Bild von ihm hier einstellen kann. Nö, hat er gesagt, macht er nicht. Ihr könnt mir glauben, dass ich ihn vollkommen verdattert angeguckt habe. Bitte? Was? Er wolle sich nicht als der werdende Opa vorstellen? Nö, hat er noch mal gesagt. Ich habe ihm gesagt, dass das nicht weh tun würde, so ein Bild machen zu lassen und, dass er hier schon seine Fans hätte, obwohl ihn noch niemand kennen würde. Schließlich habe ich ja noch nichts Schlechtes über ihn geschrieben, nix erzählt, das einem werdenden Opa schaden könnte. Nö hat er zu dritten Mal gesagt.

Ich hatte mich schon gewundert, dass er, gleich nachdem er nach Hause gekommen war, im Bad verschwunden war. Es klapperte und schepperte ein wenig, dann kam er wieder heraus. Zufrieden grinsend. Ich meine, ich habe ihn vor ein paar Tagen dabei beobachtet, dass er heimlich Liegestütze und Kniebeuge gemacht hat. Aha! Natürlich habe ich keine Bemerkung dazu gemacht. Nein, ich hab ihn nicht gefragt weshalb er das tut. Allerdings scheint ihm das alleine nicht ausreichend zu sein, denn auf seinem Schreibtisch unter einer Zeitung lugte das Prospekt eines Fitness-Studios hervor. Als der es bemerkt hat, hat er die Zeitung dezent ein wenig verschoben, so dass ich nicht sehen konnte in welchem er sich künftig quälen will.

Heute Morgen habe ich ihn nochmal danach gefragt, ob er nicht doch für Euch zu Fotograf gehen möchte. Nö hat er nur gesagt und dann weiter seine Zeitung gelesen. Ich bin nicht neugierig, nein auf keinen Fall, aber langsam geht mir das auf die Nerven und so habe ich dann heute Morgen, nachdem er gegangen ist, im Bad seinen Teil des Schrankes inspiziert. Ihr glaubt nicht was ich da gefunden habe: Masken, Cremes, die ewige Jugend und der gestressten, schlappen Haut hundertprozentige Straffung versprach. Allerdings muss man das mindestens, wenn nicht noch länger anwenden. So ganz nebenbei hat er mich gefragt wie mein Visagist heißt. Auf meine Frage weshalb er das wissen wolle, hat er geantwortet „Ach nur so!“.  So so, nur so. Niemals! Inzwischen sieht das so aus: er steht früher als ich auf, braucht Stunden im Bad, bis er fertig ist, isst Müesli und Karotten für den Teint.

Ich seh‘ den werdenden Opa schon vor mir: gefärbte Haare, karottengelb und, durch Anti-Faltencreme für den gepflegten Herrn, straffgezogene Gesichtsfassade. Wir werden es abwarten können, oder?  

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