Mittwoch, Feiertag, die Woche wird in zwei Hälften geteilt. Alter Spruch mit Gebrauchsspuren. Apropos Gebrauchsspuren. Wer kennt sie nicht? Da hat man mal ein nagelneues Auto, hat es ganz stolz beim Hersteller abgeholt und Peng! Sieht man da nicht drei Monate später den ersten kleinen Kratzer. Oh weh! Das, obwohl man wie auf Eiern fährt, aufpasst, ob der Randstein niedrig genug ist, das Nachbarauto weit genug entfernt und kein Parkplatz kann groß genug sein. Nein, ich habe kein neues Auto.
Ein neues Gerät im Haushalt, ein neuer Schrank, ein neues Laptop, oder neues Handy, egal was es ist, man hegt und pflegt es, achtet und umsorgt es, putzt und poliert es, geht sehr sorgsam damit um. Dann irgendwann sieht man den ersten Kratzer, den ersten Flecken, das erste Ungemach auf der einst glatten Fläche. Ohjemine! Oh Schitt! Oh Mist! Oh, was nicht noch alles! Danach, nach dem ersten Schmarren, dem ersten Kratzer fristet das heiß geliebte neue Teil nur noch als einfacher Gebrauchsgegenstand sein Dasein. Er lässt sich nicht liften, nicht rundum erneuern und ist und bleibt was er ist: ein Gegenstand. Ich habe viele von ihnen kommen und gehen sehen. Ihr ganz bestimmt auch, obwohl, tief in Euren Herzen, ihr ganz sicher Eure Lieblingsgegenstände habt, von denen zu trennen Euch unglaublich schwer fallen würde. Das aus verschiedenen Gründen, einmal weil regelrecht lieb gewonnen, ein anderes Mal, weil die Technik vorangeschritten ist und ihr nichts mehr hasst als Euch an eine neue Handhabung zu gewöhnen. Was macht ihr nicht alles um die sicher kommende Trennung zu verhindern, obwohl sie sich nicht dauerhaft verhindern lässt, ihr schüttelt und rüttelt an dem Teil, tauscht aus und fragt rum, wer Euch helfen kann und das bis zu dem Punkt bis klar ist, dass kein Weg an einem Ersatz herum führt. Nehmen wir als Beispiel ein Handy. Ich bin froh, dass ich die einfachen Funktionen bei meinem einigermaßen beherrsche und ich bin ganz sicher nicht scharf darauf ein neues, gefühlte zwanzig Generationen weiter, kaufen zu müssen. Ich ziehe also die Rundumerneuerung eindeutig und immer vor, bis das der Gerätetod uns scheidet.
Gebrauchsspuren. Rundumerneuerung. Was sind unsere Gebrauchsspuren? Diese kleinen Lachfalten, die Sorgenfalten, die Falten als Zeichen des Alters, die sich nicht wie Bügelfalten einfach glätten lassen? Der krumme Finger, das gelegentlich beschwerliche Gehen, der „isch abe Rücken“, die ausfallenden Haare? Gelegentlich, wenn die Nacht lang, der Schlaf wenig war, dann wünsche ich mir, nach dem Blick in den Spiegel dringend und zwingend eine Runderneuerung. Dann wünsche ich mir der Typ des ewig junges Aussehen wie Iris Berben zu sein, die, nach ihrer eigenen Aussage, noch nie so etwas hat machen lassen. Glauben wir es ihr. Marilyn Monroe hat das auch immer behauptet, was aber, wie jetzt aufgetauchte und der Welt zugänglich gemacht Röntgenbilder belegen, ein wenig geschwindelt war. In Ordnung, das kann jeder so tun, wie er oder sie das will, ein bisschen schwindeln in so einem Fall, na und davon geht die Welt nicht unter. Männer machen das auch und nicht zu selten. Was mir aber im Traum niemals einfallen würde, wäre in eine sichtbare Körperpartie Botox spritzen zu lassen und irgendwie scheint mir der Trend des maskenhaften Lächelns und der komisch wirkenden Lippen zu Ende zu gehen. Hoffentlich. Die Schauspielerinnen mit der ewig gleichen Mimik, egal ob sie nun eine Komödie oder ein Drama spielen, ihr Gesicht sieht immer gleich aus, scheinen weniger zu werden, oder sie bekommen weniger Rollen, auch das ist möglich. Also Botox wäre mir nicht. Operationen? Wären da nicht die Schmerzen und die Risiken könnte ich mal darüber nachdenken, aber erst in ungefähr zwanzig bis dreißig oder mehr Jahren. Bis dahin mache ich es wie bisher: Ich liebe jede Gebrauchsspur an mir, die hab ich, die darf ich haben und das ist gut so, das nennt man, wenn ich mich nicht irre Leben.
Schönheit ist eins. Jeder Mensch ist auf seiner Art schön. Sich anzunehmen wie man ist, das ist das andere. Guckt mal nach Euren Gebrauchsspuren, liebt sie, lebt mit ihnen, sie machen Euch aus, sie geben Euch Leben, sie strahlen mit Euch, sie gehören zu Euch. Fühlt Euch gut damit. Mögt Euch.