Ich habe lange gebraucht, um Paula Hawkins Roman „Girl on the Train“, erschienen im Juni 2015 zu Ende zu lesen. Es fiel mir oft sehr schwer den Reader zur Hand zu nehmen und zu lesen und hier habe ich es vermisst ein richtiges Buch in der Hand zu halten, um darin zurück blättern zu können. Ich möchte aber dem, der einen Krimi der anderen Art lesen möchte, dieses Werk ans Herz legen. Lesenswert ist er in jedem Fall.
Rachel
Rachel fährt täglich mit dem Pendlerzug nach London hinein. Sie ist geschieden und sie ist Alkoholikerin. Das machte es mir nicht leicht dieses Buch zu lesen. Die Autorin beschreibt die Qualen, die sie lebt, wie sie sich dafür hasst, dass ihr gelegentlich die Erinnerung fehlt, dass sie dann nicht weiß, was während ihres Vollrausches geschehen ist. Ihr Leid in den Alkohol zu fliehen, beginnt damit, dass all ihre Versuche, auch eine einmalige künstliche Befruchtung, schwanger zu werden missglücken. Je mehr sie sich dem Alkohol zuwendet, desto mehr wendet sich ihr Mann von ihr ab und einer anderen Frau zu.
Rachel kann ihn nicht loslassen, belästigt ihn und seine neue Frau, die in dem Haus an den Bahngleisen, leben, in dem sie gewohnt hat, in jeder nur erdenklichen Art und Weise.
Megan
Megan wohnt mit ihrem Mann Scott einige Häuser weiter und Rachel beobachtet sie, wenn der Zug tagtäglich an der gleichen Stelle vor den Häusern anhalten muss. Sie bewundert und beneidet die beiden, auch wenn sie diese nicht persönlich kennt. Irgendwann beginnt auch Megan zu erzählen und irgendwann später erzählt auch Anna, die neue Frau von Rachels Ex-Mann von den Geschehnissen. Alle drei Frauen erzählen in Ich-Perspektive und alle Frauen stellen die Ereignisse aus ihrer Sicht dar, was ich am Anfang, als ich zu lesen begonnen habe, sehr verwirrend empfand und der Grund war, dass ich Probleme hatte dabei zu bleiben. Ein weiterer Grund war das permanente Darstellen der Alkoholprobleme, auch wenn ich weiß, dass es verflucht ist, wenn ein Mensch in eine Sucht, egal welche, hineingleitet. Der Weg heraus ist steinig und schwer zu gehen und häufig gewinnt die Sucht, das wissen wir alle, spätestens seit Christiane F.
Eines Tages sieht Rachel, dass sich Megan mit einem anderen Mann im Garten aufhält und sehr vertraut mit ihm umgeht. Sie vermutet daher, dass die Frau ein Verhältnis hat. Das erschüttert das Bild nachhaltig, das sie sich von Megan und Scott malte, denen sie in ihrer Vorstellung andere Namen gegeben hat. Nach einer Nacht im Vollrausch, nach der sie sich am nächsten Morgen mit Verletzungen in ihrem Bett wiederfindet und keinen Schimmer hat, was geschehen war, erfährt Rachel, dass Megan verschwunden ist.
Rachel quälen Fragen und sie sucht Antworten und es beschleicht sie das Gefühl, dass sie irgendwie etwas mit dem Verschwinden von Megan zu tun hat. Zuerst läuft sie falschen Fährten hinterher, bis sich ihre eigenen Nebel irgendwann lichten.
Man muss Geduld haben, wenn man diesen Roman liest, eine schnell Lösung gibt es nicht und nahezu jeder Verdacht, den man als Leser hat, löst sich früher oder später in Luft auf. Erst als der zuerst undurchdringliche Vorhang, der Rachel umgibt, nach und nach zerreißt, bekommt man eine Ahnung wer hinter all dem stecken könnte.
Gegen Ende hat sich für mich der Roman deutlich besser gelesen, die dauernden Beschreibungen des Alkoholmissbrauchs, seine Auswirkungen und all das, was damit zu tun hat ließen nach, standen nicht mehr so sehr im Mittelpunkt. Ich habe weiter oben bereits beschreiben, dass ich mir über die Gefahren und Risiken von Alkohol bewusst bin, habe ich schon einige Menschen an den mittelbaren Folgen ihrer Abhängigkeit sterben sehen. Insofern finde ich das in Ordnung, man kann das als Warnung oder Mahnung ansehen, die Autorin hat sich sehr damit beschäftigt, aus welchen Gründen auch immer. Das Buch hat eine eigene Art geschrieben zu sein, mit der man umgehen können will. Der Wechsel zwischen Rachel, Megan und Anna, die aus ihrer Sicht die Geschehnisse erzählen, ist gelegentlich rasant, wobei der Leser, durch Angabe von Datum und Tageszeit, jederzeit weiß wo im Geschehen er sich gerade befindet. Dass ich am Anfang von „Girl on the Train“ so einige Probleme hatte mich einzulesen, hat nichts damit zu tun, dass ich das Buch trotzdem mit gutem Gewissen empfehlen kann.