Ich wollte als ihre Mutter eigentlich den Debütroman meiner Tochter, der Autorin Jana Herbst, nicht rezensieren, aber ich meine ich musste es tun, weil sie in ihrem Debut etwas schafft, was seinesgleichen sucht: Sie spielt derart perfekt mit Worten, dass es mich fasziniert hat festzustellen, dass sie es schafft in einem Geschehen von wenigen Stunden dem Leser das Gefühl zu geben bereits seit Jahren dabei zu sein.
Ich habe mich auf das Buch gefreut, musste aber auf die Printversion durch Amazon unverhältnismäßig lange warten, bis ich es in Händen halten konnte. Das hat mich bewogen, mir demnächst einen E-Reader anzuschaffen, damit mir das nicht noch mal passiert.
Ich habe das Buch bekommen und musste mich noch etwas gedulden bevor ich lesen konnte. Jetzt aber habe ich es gelesen, bin durch damit. Anna Blume, bildende Künstlerin, wird von ihrer Agentin in eine Hütte, in einem Wald, abseits jeder Zivilisation, also ohne Strom, Gas, fließendes Wasser geschickt, in der es außer Lebewesen mit mehr Beinen als sie ein Mensch hat, nichts gibt. Sie und die Tiere werden, obwohl sich Anna als bekennende Vegetarierin geradezu fanatisch tierlieb zeigt, keine Freunde werden. Dann ist da Filip, der Agent, der nur einen einzigen Auftrag hat und zwar soll er die Famiglia ausschalten, nachdem er diese eine bestimmte Liste mit wichtigen Namen erhalten hat. Im Moment ist er auf der Flucht vor den Handlangern der Famiglia, was ihn, im wahrsten Sinne des Wortes, direkt in die Arme von Anna treibt, die vor der Hütte vergeblich nach Empfang für ihr Handy sucht.
Was nun auf den nächsten Seiten geschieht, geschieht vorwiegend in den Protagonisten drin, in ihrem Kopf, in ihren Gedanken. Ich kann mich nicht erinnern, Gedanken der Protagonisten jemals so plastisch miterleben zu können. Die Autorin schafft es, bis auf einen kleinen Spaziergang, durch den Einsatz sprachlicher Stilelemente die Gedankenwelt von Anna und Filip so zu beschreibe, dass der Leser, die Leserin ganz automatisch Teil davon wird und das Gefühl hat mitten in einer Handlung zu sein, die bereits ein Leben, nämlich das der Protagonisten dauert. Egal ob es die Gedanken von Anna oder von Filip sind, die Autorin leistet hier Grandioses. Das ist für mich große Schreibbühne.
Da ist einmal Anna, der Leben im Bereich viel Geld stattfindet, der Partys nicht fremd sind, die aber in der Wildnis im heimischen Mecklenburg-Vorpommern verloren ist. Da ist Filip, der nicht weiß, ob er sich auf Anna einlassen soll oder nicht, der beruflich „mit seinen Händen“ Menschen tötet, in der Wildnis ebenso überleben kann, wie in der Wüste und der sich verspricht, dass er Anna aus dem Dilemma in das er sie geführt hat, heil herausbringen würde. Die Leser erleben, wie beide von reiner körperlicher Leidenschaft befallen werden und versuchen dagegen anzugehen, aber Liebe ist ein schleichendes Gift, das bittersüß ist, aber zerstörerisch wirken kann.
Da wäre dann noch die Famiglia, deren männliche Galionsfigur unbedingt Anna kennenlernen möchte, während der wahre Macher im Hintergrund seinen Opfern Finger abzwicken lässt, was derart plastisch beschrieben ist, dass ich nur zu gerne darüber hinweggeblättert hätte. Jener jedenfalls würde nicht lieber tun, als Filip nicht nur zu Fall zu bringen, sondern ihn liebend gerne obendrein noch zu töten, da er in ihm einen direkten Konkurrenten sieht. Die Geschichte nimmt ihren unvermeidlichen Lauf und der Leser wird am Ende von der Autorin zufrieden aus einem spannenden, witzig geschrieben Buch entlassen.
Jana Herbst ist mit „Highheels, Herz und Handschellen“ ein außergewöhnlicher Debütroman gelungen, der alles hat, was ein Buch haben muss und der es darüber hinaus schafft aus einem Zeitraum von wenigen Stunden, dem Leser das Gefühl zu geben, dass er seit Jahren mit Anna und Filip unterwegs war, dass er mit ihnen aufgewachsen ist. Das ist Schreibkunst und die Autorin beherrscht es ihre Leser mit Worten zu fesseln und wir dürfen auf weitere Werke von der Autorin gespannt sein.
Jana Herbst ist ein wunderbarer Debütroman gelungen, der sich sehr deutlich von anderen Werken in diesem Genre abhebt. Mach weiter so!