Sie haben es getan!

Seit Oswalt Kolle und Dr. Sommer Aufklärung betrieben haben, schreibt und spricht fast jeder offen und enthemmt über Sex, ohne jedes Tabu, immer und überall, ohne Rücksicht auf Verluste. Er oder sie tauscht sich aus, prahlt, genießt und schweigt selten. Sex spielt in unserem täglichen Leben eine große Rolle. In Zeitungen, an Stammtischen, per Telefon und Internet. Wirklich immer? Überall? Mit jedem? Ohne jedes Tabu? Es gibt zwei Gruppen, deren sexuelle Aktivitäten voreinander verborgen bleiben.

Sex im Leben einer Eltern-Kind-Beziehung hat eine ganz eigene Dynamik. Ganz früh, wenn die Kinder noch klein sind, fragen sie, wo sie herkommen. Sie bekommen eine Antwort. Wir erinnern uns, Bienchen und Blümchen sind die Protagonisten dieser Geschichte. Dann kommen die Kleinen in die Schule, haben hier Sexualkundeunterricht. Bienchen und Blümchen - reine Erfindung! Empörung groß, haben sie die Eltern doch beim Schwindeln erwischt. Bienchen und Blümchen sind immer noch besser als der Klapperstorch, der zu meiner Zeit die Babys vor der Tür abgelegt hat. Trotz der übermächtigen Konkurrenz von Blümchen und Bienchen hält sich Freund Adebar hartnäckig auf Glückwunschkarten und Torten zur Taufe oder Willkommensfesten. Wie auch immer, Jungs und Mädchen wissen jetzt, was Kondome sind und wie man sie anwendet, auch, dass es für Mädchen die Pille gibt.

Angekommen in der Pubertät werden aus den Kindern scheue Rehe. Die anstrengendste Zeit im Leben ihrer Eltern beginnen sie damit, dass sie sich geschlechtlich entwickeln und gleichzeitig den elterlichen Blicken entziehen. Nacktheit – nein danke! Gleichzeitig steigt das Risiko, ungewollt schwanger zu werden, denn wie üblich ist vergessen, was man in der Schule gelernt hat. Auch alle Arten der Verhütung. Jede Mutter wünscht sich für ihre Tochter, dass sie ihre Ausbildung oder ihr Studium ohne Babygeschrei zu Ende bringen kann. Wenn man einen Sohn hat, kann man dies gelassener sehen. Die Pubertät nähert sich dem Ende, Mädels und Jungs haben einen Freund oder eine Freundin.

Eigenartigerweise wiegen sich Eltern jetzt in Sicherheit und unterliegen der irrigen Annahme, dass ihre Kinder es (noch) nicht tun. Niemals, auf keinen Fall schlafen die miteinander! Bis jetzt war nichts passiert und auch wenn die Kinder schon zusammen leben, da wird auch nix passieren. Manchmal können Eltern sehr naiv sein. Übrigens sind Kinder nicht weniger naiv, was das Sexleben ihrer Eltern angeht. Sie sind, und das ist noch viel schlimmer, der Annahme, dass ihre Eltern keinen Sex mehr haben. Sie und, sofern sie welche haben, ihre Geschwister sind geboren - also wozu?

Alle Menschen sind mindestens Kinder, einige davon auch selbst Eltern was mich zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass der praktische Sex häufiger ist als der theoretische.

Sie haben es getan! Es öffnete sich unsere Haustür. Nanu? Herein kamen unsere erwachsene Tochter und ihr Lebensgefährte, Partner, Freund, oder wie immer man ihn auch nennen möchte. Von diesem Paar ging etwas aus, das anders war als sonst. Sie passen gut zueinander, strahlen Ruhe und Vertrautheit aus, können anpacken wo es nötig ist und sind beide Kämpfer. Da saßen sie nebeneinander, hielten Händchen, während wir in dem Moment noch rumwuselten: Der eine kochte, die andere wollte gerade ihre Freundin verabschieden und ich war eben dabei, während ich unserer Oma beim Essen half, mir einen Kaffee aus dem Automaten zu ziehen.

Sie gackerten und alberten herum. „Soll ich es sagen oder willst du es sagen?“, ging es hin und her. Arglos guckten wir zu, ahnungslos folgten wir dem fröhlichen Treiben vor uns. Als Mutter oder Vater ist man es gewohnt, sich in Geduld zu fassen, bis der Sprössling seine Geheimnisse preisgibt. Plötzlich, aus heiterem Himmel, sprachen sie es aus. Er hat es getan, sie hat es getan! Verrat! Sie haben es miteinander getan. Oh, mein Gott! Sodom und Gomorra! Unaufhörlich sprudelten die Buchstaben aus den Mündern der beiden, formten sich zu den Worten: "Wir bekommen ein Baby! Ihr werdet Oma und Opa!" An ihre Schwester gewandt: "Du wirst Tante!"

Der werdende Opa stellte fest, dass er „Großvater“ und nicht einfach nur Opa werden würde. Mir war das egal ob ich nun Oma oder Großmutter werden würde, ich fühlte einen verdächtigen Kloß im Hals wachsen. In all meinen Lebensjahren ist es mir bislang nicht gelungen den Hang zum Sentimentalen abzulegen. Der Kloß setzte sich in meinem Hals fest, die Umgebung sah ich durch Tränen der Rührung und Freude nur noch verschwommen. Zum Glück hatte ich gerade mit meinem Kaffeebecher den Kühlschrank erreicht und ihn geöffnet. Reden war wegen des Kloßes sowieso  nicht möglich. Kopf rein in den Kühlschrank, abgekühlt, Luft geholt, Kloß vertrieben, meiner Freude Worte gegeben. Umarmung.

Es fühlt sich gut an Oma zu werden. Ich freue mich schon riesig darauf dem Baby all den Blödsinn beizubringen, der seine Eltern zur Verzweiflung bringen wird. Ich werde nicht vor Schokoladeneis und Spinat zurückschrecken, mit dem schreienden Bündel Ikea unsicher machen, es sich an der Kasse des Supermarktes bedienen lassen, um dann alles der Verkäuferin hinter seinem Rücken in die Hand zu drücken. Ich freue mich auf all die leckeren Babybreie und hoffe, dass der eine oder andere Löffel für mich übrig bleibt. Ich darf wieder meinen leckeren Apfel-Bananenbrei anrühren und auf leisen Sohlen durch die Wohnung schleichen, wenn Mama und Papa ausgehen oder nur mal ausschlafen wollen und mein Enkelkind bei uns schläft. Das Baby wird das hübscheste Baby der Welt sein. Ein Mädchen wird eine Diva sein und ein Junge der absolute Adonis.

 

 

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