Mengenprobleme

Wir wissen es alle, wir essen zu viel, kaufen zu viel ein und werfen auch zu viel in den Müll. Irgendwie scheinen wir eine Bigfoot-Mentalität entwickelt zu haben. Ich schließe mich da nicht aus. Früher, ja, ich darf das schreiben, weil ich 50++ bin, da war das alles ganz anders. Als wir, meine Geschwister und ich, noch Kinder waren, da musste meine Ma schon ordentliche Portionen kochen und das auch so geschickt machen, dass nahezu alles aufgebraucht war. Später hatten wir dann einen Kühlschrank, das war eine ganz andere Dimension, ein neues Leben.

Es wurde auch etwas anders gekocht, schon jahreszeitlich bedingt, aber trotzdem eben anders. Im Winter war das Essen deftig und meine Ma kochte dann auch auf „Rest“, um diese am nächsten Tag aufwärmen zu können. Das sparte enorm an Zeit, denn sie arbeitete in der Firma meiner Großeltern mit. Ich habe aber wirklich keine Ahnung wie sie Soßen gekocht hat, oder diese Feinheiten hinbekommen hat, die das ausmachten, was man als total lecker in seiner Erinnerung behält. Im Sommer gab es diese leichten Sommergerichte und, ich glaube ich habe darüber schon mal geschrieben, konnte man aus der Milch noch Sauermilch werden lassen. Ich kann mich noch an so einige Gerichte erinnern, wie eben Sauermilch und Bratkartoffeln. Was es auch gegeben hat, was ich gar nicht so gerne mochte war Pfälzer Hausmacher Wurst, Pellkartoffeln und dazu Gewürzgurken, die meine Mutter selbst eingeweckt hatte. Ich mag diese Kombination nicht so gerne, esse das, wenn dann etwas anders: mit Kartoffelbrei, ohne Gurken und die Wurst erwärmt. Aber ich bin gerade, wie ich merke, auf Abwegen.

Zurück zum Mengenkochen. Erst zog meine Schwester aus, dann mein Bruder, beide weil sie geheiratet hatten. Da waren wir nur noch zu dritt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich schon ziemlich viel geändert: es gab Gefriertruhen und mein Vater hatte eine für uns gekauft, meine Großeltern waren lange schon aus dem Geschäft, meine Großmutter lebte schon eine Weile nicht mehr, eine Umstrukturierung im Geschäft veränderte auch das Familienleben: von da an kochte mein Vater und meine Mutter machte in dieser Zeit den Haushalt. Moderne Arbeitsteilung, damals schon. Irgendwann ging ich dann auch und für meine Eltern war kochen für zwei angesagt. Irgendwann ganz viele Jahre später haben wir dann das Modell des Mehrgenerationenhauses praktiziert und dann war häufiger der Fall, dass meine Eltern für uns alle, meine Schwester mit Familie und uns Familie gekocht haben. Mein Bruder lebte zu dieser Zeit schon lange nicht mehr. Familientreffen bei meinen Eltern im kleinsten Raum der Wohnung, der sich an die Küche angeschlossen hat. Da war immer etwas los, wir Erwachsenen und die Kinder. Familie eben. Aber darüber wollte ich gar nicht schreiben. Eher darüber, dass ich, da meine Kinder aus dem „Haus“ gegangen sind, gerade lerne kleine Portionen zu kochen und zwar so, dass es nicht eine Woche lang Gulasch gibt, sondern, dass aufgegessen ist, allenfalls einmal Resteessen auf dem Plan steht. Das, ihr Lieben, ist verdammt schwer, wenn die Kochtöpfe zuvor eine stattliche Größe hatten. Die Probleme fangen schon beim Einkaufen an. Singleportionen erscheinen mir teurer und viele Firmen bieten 20% mehr Inhalt an, den ich gar nicht brauche. Sonderangebote beziehen sich meist auf größere Portionen als ich sie gebrauchen kann. Abgesehen davon, dass man einfach  nicht mehr so viel essen kann.

Aber wenn ich feststelle, dass eine große Dose im Angebot billiger ist als eine kleine, kauft man nicht die größere auch wenn man dann in Kauf nimmt, dass man, wenn auch schweren Herzens, Lebensmittel mit meist schlechtem Gewissen müllt? Gut, Dosenfutter gibt es hier sehr selten, aber es gibt es ab und an, auch fast Food, genauso wie die besseren Kollegen derer aus der gehobenen Küche. Dann gibt es noch die Gerichte, die in Massen gekocht einfach besser schmecken. Dazu gehören zum Beispiel Eintöpfe, die schmecken aus dem großen Mehrfamilientopf besser als aus dem Minisingletopf, der geradezu gegen seinen großen Kollegen magersüchtig aussieht und dessen Inhalt kaum schafft als je eine Erbse, eine Karotte, eine Bohne und drei kleine Stückchen Kartoffel. Dabei ist zu erwähnen, dass der vorausgegangene Einkauf frischer Waren ein Erlebnis ist, da auch auf dem Markt sehr viel lieber die Ware in Kilomengen, statt in Einzeldosen abgegeben wird, und im Supermarkt meist auf 500g oder gar ein Kilogramm gepackt ist. Ganz abgesehen von den nötigen Kräutern. Da hätten wir noch Gulasch, der besser schmeckt, wenn mehr gekocht, oder Rinderrouladen lohnen auch erst ab ungefähr sechs Stück. Natürlich hätten wie dann noch den Gefrierschrank um das, was übrig ist größerer Kälte auszusetzen.

Der aber, der Gefrierschrank hat a. nur eine begrenzte Kapazität und b. seine eigenen Gesetze und c. muss man dann gezwungenermaßen leer gegessen werden. Einen Gefrierschrank zu bestücken macht nur dann Spaß, wenn man auf die Päckchen und Schüsselchen mit dem gegarten Gut nichts draufschreibt. Warum? Na ja, wenn man auf die Päckchen und Schüsselchen drauf schreibt, was drin ist, dann hat man beim Suchen nur halb so viel Spaß. Ich komme noch mal auf meinen Papa zurück, der es wunderbar verstanden hat, zu vorangeschrittener Stunde nahezu vollkommen in der Gefriertruhe zu verschwinden, um etwas ganz bestimmtes zu suchen, das er seiner Meinung nach dann auch fand, was aber, am folgenden Tag, Ursache für eine schlagartige Änderung des Speiseplans war, was er stets mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht stolz verkündet hat.

Wir lernen, egal in welchem Alter, täglich dazu, auch wenn Alter nicht vor Torheit schützt und die Lust den Einkaufswagen mir mehr füllt als man sofort verwerten kann. Ich bewundere die Menschen, über die ich vor wenigen Tagen gelesen habe, die angegeben haben, dass sie das, was sie an Lebensmitteln gekauft haben, auch immer essen würden. Großes Fragezeichen. Keine Ahnung wie das bei Euch so ist, ob das immer aufgeht. Bei mir noch nicht, aber ich bin auf einem guten Weg.

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