„Der Agent, meine Tochter und ich“ von Jana Herbst

Ich danke dem Verlag @feelings.ebook von ganzem Herzen für die Möglichkeit, dass ich diesen Roman vorab lesen konnte.
Sarah Wagner ist genauso, wie man sich eine Kuratorin eines Museums vorstellen mag: konservative Kleidung, konservatives Brillengestell, Ballerinas, um möglichst leise über den Fußboden im Museum huschen zu können, schlicht unauffällig zu sein. Es ist keineswegs so, dass Sarah Wagner, die Protagonistin in Jana Herbsts Roman „Der Agent, meine Tochter und ich“, daran etwas ändern möchte. Ihr Leben ist, als alleinerziehende Mutter ihrer hochintelligenten Tochter Lilly, mit ihrem Job mehr aus ausgefüllt. Einen Mann würde sie als störend empfinden, zumal sie ihrer Tochter keine wechselnden Männerbekanntschaften zumuten möchte. Also alles gut im Leben der Kuratorin und Mutter. Das Leben einer erwachsenen Frau, die Erfüllung ihrer sexuellen Bedürfnisse, vermisst sie nicht, diese hat sie an dem Tag tief in sich verschlossen, als sie sich für das heranwachsende Leben in ihrem Bauch entschieden hat.


Nicht so ihre Freundinnen, die Sarah zu dem Jahrestag, den Mara, ihre beste Freundin, als solchen erkoren hat. Einfach so, ohne wirklichen feierwürdigen Grund, einfach nur, damit sie miteinander ausgehen. Sarahs Freundinnen haben alle Karriere gemacht, arbeiten in verantwortungsvollen Positionen oder sind ihre eigene Chefin, deren biologische Uhren einen eventuellen Kinderwunsch noch nicht durch lautes Ticken angezeigt haben. Mara organisiert für die Freundin einen Babysitter, ein raffiniertes sexy Outfit und sensationelle High Heels. Leicht angeheitert findet sich Sarah in einem Club wieder.

 
Hier trifft sie auf Lars, einem Geheimagenten, dessen Organisation so geheim ist, dass niemand von ihr weiß, ungefähr so wie Aerea 51 keinem amerikanischen Präsidenten bekannt ist. Lars, der bald an die Altersgrenze zum dauernden Innendienst erreichen wird, macht sich seine Gedanken wie sein Leben dann aussehen wird. Es ist keineswegs so, dass Lars den Wunsch nach Frau und Kind in sich trägt, er stellt lediglich seine berufliche Situation in Frage: Auftrag – die Lage checken – Fakten sammeln – Killer sein oder nicht, auf jeden Fall aber die Aufgabe erledigen. Niemand weiß wer er ist, unerkannt kommt er und unerkannt verschwindet er wieder. Der Tod ist sein Geschäft. Das lässt ihn ein reales Leben vermissen, weil niemand ihn kennt, niemand weiß wie er im realen Leben wirklich heißt, ob er einen Kumpel hat oder nicht, ober er überhaupt ein privates Leben hat. Gut okay, an sexuellen Begegnungen hat es ihm nicht gemangelt, aber das war eben nicht alles. Er denkt darüber nach, sich jobmäßig umzuorientieren, sesshaft zu werden, gerne auch mit Frau, aber um Himmels Willen kein Kind, und schon keins, das klebrige Hände hat.

 
Sein Nachbar an der Bar entdeckt Sarah und will sich sogleich an sie heranmachen, ohne zu akzeptieren, dass er nicht Sarahs Typ ist. Lars rettet sie, am Ende der Nacht, kurz vor dem ersten Schein des aufkommenden Morgens, nach einer Nacht voll unglaublichem Sex, wacht sie neben Lars in dessen Wohnung auf. Über ihre Identitäten lügen sie sich gegenseitig an. Sarah verlässt die Wohnung ganz leise und bleibt für Lars vorläufig verschwunden. Er bekommt einen neuen Auftrag, der verhindert, dass er weiter nach ihr suchen kann.

 
Genau dieser Auftrag ist es, der Lars zu Sarah führt, die es inzwischen nicht geschafft hat, das, was Lars in ihr geweckt hat, zum Schweigen zu bringen, vergessen zu machen, zurück in ihr tiefstes Inneres zu schicken. Lars steht also vor ihrer Tür, da er ein DSL-Kabel im Garten reparieren muss. Einzig Lilly stellt das in Frage, weiß sie, dass DSL-Kabel von der Straße aus in die Häuser verlegt werden, aber davon nimmt Sarah keine Notiz und prompt landen die beiden Erwachsenen, nachdem Lilly tief und fest schläft, erneut im Bett.

 
Lars gerät in einen Gewissenskonflikt, da Sarah letztendlich irgendwie in den Fall involviert wird, sich geradezu anbietet Lars zu unterstützen, da der Sohn ihrer Nachbarin ebenfalls involviert wird. Der kriminalistische Teil des Romans beginnt ins Rollen zu kommen und nimmt rasant Fahrt auf. Der Abend vor dem eigentlichen, vermuteten Anschlag, lastet auf den drei Menschen schwer, denn es wird gleichzeitig der Tag des Endes der Beziehung sein, da Sarah keinen Mann an ihrer Seite haben möchte, dessen zweiter Vorname Gefahr ist und der diese wie einen Rucksack, der sich nicht in eine Ecke stellen lässt, mit sich herumträgt. Lars kommt immer mehr zu der Erkenntnis, dass er ohne Lilly und Sarah, Sarah und Lilly nicht mehr leben will. Es gibt in dieser Sequenz alles, das ein Krimiherz höher schlagen lässt und dann scheint der Fall gelöst, der dann aber eine überraschende Wende nimmt.

 
Das ist der zweite veröffentlichte Roman von Jana Herbst und übertrifft ihren schon sehr gelungenen Debutroman um Längen und ich frage mich heute schon, wie der dritte Roman werden wird. Nun liegt die Messlatte endgültig hoch! Ihr Schreibstil ist einfach wunderbar, sie zieht Vergleiche, die sowohl zum Schmunzeln anregen, beschreibt Szenen bei deren Vorstellung, ich in schallendes Gelächter ausgebrochen bin. Schon nach wenigen Minuten war ich mit der Protagonistin unterwegs, war Teil von ihr, habe ihre Welt mit ihren Augen gesehen, konnte mir ihre Gefühle sehr gut vorstellen. Sie ist, ohne es zu wollen aus ihrem Panzer, den sie sich freiwillig für ihr Kind angelegt hat, ausgebrochen, hat ihn mit der unerbetenen Hilfe von Lars gesprengt und ist als wunderschöne, begehrenswerte, junge Frau da herausgekommen. Ein Mann, der in einem gefährlichen Beruf geradezu namenlos Menschen sucht, auffindet, tötet, Anschläge und Straftaten verhindert, wenn es sein muss, selbst das Gesetz bricht, sucht sich selbst, möchte seinen Namen auch nach außen tragen. Durch Sarah und Lilly wird sein Wunsch verstärkt, endlich eine Entscheidung zu treffen.
Der Roman liest sich wunderbar, flüssig geschrieben. Szenenbeschreibungen sind so plastisch, dass vor den Augen des Lesers und der Leserin ein plastisches, ein dreidimensionales Bild entsteht. Ich bin überzeugt davon, dass es genauso aussieht, wie die Autorin das wollte. Wortwahl, Vergleiche, die so treffend, manchmal gegensätzlicher nicht sein könnten manchmal so lustig sind, dass sie wie das Salz in der Suppe wirken. Ich bin begeistert.

 
Hatte ich im ersten Roman der Autorin ein anfänglich problematisches Verhältnis mit der Protagonistin Anna, nimmt mich Sarah sofort an der Hand und zieht mich mitten ins Geschehen hinein und nimmt mich auf ihrem Weg mit und ich? Ich muss ihr willenlos bis zum letzten Wort folgen. Ich sehe in dem Buch einen absoluten Bestseller und das sage ich nicht, weil die Autorin meine Tochter ist, sondern weil ich überzeugt von diesem Roman bin. Danke nochmals an den Verlag, der mir die Möglichkeit gegeben hat, vorab zu lesen. An meine Tochter: Es war mir eine außerordentliche Ehre, dass Du mich in Deine Lesegruppe aufgenommen hattest.

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