Früher war … nein, nicht schon wieder

Früher, als der Pferdewagen den ganzen Mist noch abgeholt hat, war alles anders. Aber Hand aufs Herz ich will nicht früher und jung sein will ich auch nicht mehr, na ja ab und an schon, aber nur manchmal und nur zu bestimmten Gelegenheiten, aber sonst? Ne, Leute, muss Frau nicht mehr haben. Natürlich war früher alles anders, wäre ja doof und würde Stillstand bedeuten, wäre alles noch wie es vor hundert Jahren gewesen war. Das würde ich nicht haben wollen, auch wenn ich ohne Telefon auskommen könnte, aber ohne Waschmaschine das wäre dann schon heavy.

Früher war alles anders, klar. Meine Freundin Anna zum Beispiel, die ist schon Rentnerin und ich kann Euch sagen, die rennt jeden Tag von Termin zu Termin, schlimmer als zu Zeiten in denen sie noch gearbeitet hat. Da wusste man, wo sie von wann bis wann war, aber heute? Heute ist Anna ständig auf Achse, ständig hat sie Termine, Treffen und was nicht noch alles und ohne Terminkalender geht gar nix. Rentnerin eben. Apropos Rentnerin, vor ein paar Tagen habe ich an der Ampel zwei Frauen gesehen, die in etwa im gleichen Alter waren, im mittleren Rentenalter. Die eine, die mir gegenüber gestanden war, war fröhlich gekleidet, hellgrüne Turnschuhe, helle Hose, grüne Jacke, hell freundlich, so strahlte sie dann auch, die andere, die neben mir gestanden war, hatte sich früh morgens für mausdunkelgrau entschieden, an das sich auch ihre Mimik angepasst hatte. Das ist bei jungen Menschen nicht anders, viele in mausdunkelgrau machen auch ein mausdunkelgraues Gesicht. Färbt die Kleidung, für die man sich am Morgen entscheidet auf die Laune ab, oder wählt man die Kleidung nach der Laune?

An der Ampel spielte sich dieser Tage noch eine andere Szene ab, die mir so gut gefallen hat, dass ich sie Euch nicht vorenthalten möchte: eine Mutter, wartete wie ich auch, darauf, dass die Ampel umsprang. Sie hatte drei Kinder dabei, eins im Kinderwagen, zwei schon größer, vielleicht so zwischen sieben und neun Jahren. Die Frau tanzte, mit dem Sohn Blickkontakt haltend, dem das wohl nicht ganz so gefallen hat, dennoch sie lachte, freute sich und sie tanzte. Dann sprang die Ampel um und wir gingen auf die andere Straßenseite, wo sie sich von den beiden großen Kindern so herzlich und liebevoll verabschiedete, dass es jedem Beobachter ganz warm ums Herz werden musste. So süß, so lieb rang sie vor allem dem Jungen ein Bussi ab und ebenso beschwingt und lächelnd ging sie mit dem Kinderwagen davon. So viel Liebe, so viel Wärme ging von diesen vier Menschen aus. Schön anzusehen.

Das ist der Vorzug, wenn man dann doch ein klein wenig älter ist, wenn man sich seine Zeit einteilen kann, man diese Momente sehen, erfassen und genießen, vor allem mit in den Tag nehmen. Ich wünsche viele solcher Momente und glaubt mir es war früher nicht alles besser.

 

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