Ach Mensch, das ist alles ein wenig anstrengend zur Zeit und so wird das wohl auch noch eine Zeit so weiter gehen. Selbst als Oma ist man nicht davor geschützt Murphys Gesetzen zu unterliegen: Wenn etwas kommt, dann kommt das dick und ungeschminkt, nackt und heftig, und wiegt doppelt schwer. Hier eine Baustelle, da eine und dann kommt noch eine dazu und Wege sind versperrt. Bei manchen ist das nicht schlimm, da umfährt man die Baustelle, weil man das für sich selbst erledigt und abgearbeitet hat, andere dagegen möchte man unbedingt abarbeiten. Plötzlich steht man an einer Kreuzung und kann sich einfach nicht entscheiden, welchen Weg man zuerst nehmen möchte.
Ich beneide nicht die Menschen, deren Weg immer klar geradeaus gegangen ist, die nur wenige Hindernisse in ihrem Weg liegen hatten. Das klingt für mich langweilig. So gesehen war mein Leben immer spannend, auch wenn ich sehr gerne auf einiges, das ich leben musste und noch leben muss, verzichtet hätte. Langweilig wurde und wird mir nie und wenn eine Baustelle abgearbeitet ist, dann tut sich die nächste auf. Eine nach der anderen, das geht, aber viele gleichzeitig, das geht gar nicht. So ist das in Berlin, da sind viele Baustellen, wo niemals Arbeiter zu sehen sind und andere, die ratzfatz abgearbeitet sind. Gestern, der Straßenverkehr hier in Berlin, der hat ein wenig mein Leben widergespiegelt: Du weißt wo Du hin willst, hast einen bestimmten Weg im Kopf, der Dich auf geradem Weg sicher ans Ziel bringen soll, gäbe es da nicht Baustellen auf Deinem Weg und Fahrzeige, die auf beiden Fahrbahnen in zweiter Reihe geparkt sind, so dass Slalomfahren angesagt ist, das aber leider durch den Gegenverkehr gebremst wird, der vor dem gleichen fast unlösbaren Problem steht. Zu aller Verkehrsteilnehmer Freude kommt dann noch der Verkehrsteilnehmer dazu, der aus einer Einfahrt heraus möchte. Irgendwann löst sich das immer auf. Ich kann mich erinnern, dass ich in einer Vorweihnachtszeit mit meinen beiden Kindern, das dritte war damals noch nicht geboren, abwechselnd bei unserer Kinderärztin, die ein absoluter Hammer war, die Praxis aufsuchen musste: War das kranke Kind gesund, war das gesunde krank und umgekehrt. Das ging über sechs Wochen so. Sie meinte nur, dass wenn ich da dann durch wäre, einem frohen und geruhsamen Weihnachtsfest nichts im Wege stünde. So war das dann auch und pünktlich zum Fest war alles vergessen. Im Kindergarten waren beide noch nicht, das war nicht üblich die Kinder so früh dort zu „parken“, sie mussten damals drei Jahre alt sein und keine Windeln mehr tragen, das war die Bedingung. Das war vor allem für berufstätige Mütter ein Problem. Heute ist man der Meinung, dass es sein muss, Kinder recht früh in den Kindergarten zu bringen. Sie würden so das soziale Miteinander lernen. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass ihre Eltern, die erst mit drei Jahren und ohne Windel dorthin gebracht worden waren, sozial nicht ganz auf der Höhe der sind. Na ja. Nein im Ernst, wenn eine Mutter arbeiten gehen muss oder will natürlich, dagegen würd ich niemals etwas haben können, denn ich bin neben der Rolle als Mutter auch Frau gewesen und wäre gerne arbeiten gegangen. Heute sind die Zeiten deutlich verschärft und Frauen können gar nicht länger als nötig in der Babypause bleiben, weil Frauen in der Arbeitswelt sonst ewig die Trottel in der zweiten Reihe bleiben. Aber ich denke, dass das „Oma-Modell“ von früher auch etwas hatte. Meine Schwester musste arbeiten, sie hatte keine andere Möglichkeit als das zu tun und so war mein Neffe bei meinen Eltern und es ist aus ihm ein rechter Mensch geworden, in jeder Beziehung. Ich bin nicht dagegen, dass es diese Möglichkeit heute gibt. Ich wäre selbst sehr gerne arbeiten gegangen, einen Beruf hatte ich, den ich hätte ausüben können, oder ich hätte damals schon mein Abitur nachmachen wollen, aber ich konnte nicht arbeiten gehen, denn ich hatte ein schwer behindertes Kind, das die Erfüllung dieser Wünsche und Träume absolut unmöglich gemacht hat. Er in seiner Krankheit, das war mehr als ein Fulltime-Job und ein Kind zu haben. Es war schlicht unmöglich und als dann mein zweites Kind geboren wurde, ging das in dessen ersten drei Jahren gar nicht, weil ein Kindergartenplatz erst mit drei Jahren verfügbar gewesen war. Später als ich dann drei Kinder hatte, da habe ich die Chance ergriffen, die sich mir angeboten hat, an einem Tag in der Woche zu arbeiten. Ich schwöre, dieser Tag war furchtbar, nicht bei mir, ich habe gearbeitet und es hat Spaß gemacht. Meine Lust zu arbeiten hat sämtliche Großmütter in Anspruch genommen, die wiederum meiner Heimkehr stets sehnsüchtig entgegen gesehen haben. Auch keine wirkliche Option für mich dabei dann auch noch unbeschwert zu sein, weil ich wusste, dass zu Hause nicht immer alles glatt lief.
Wie würde ich das heute machen? Oder wie, wenn ich darauf angewiesen gewesen wäre, arbeiten zu gehen. Hätte ich erst spät Kinder bekommen? Oder gar keine? Nein, niemals, gar keine das war keine Option, war niemals eine gewesen. Bei all den Sorgen, die man hatte, bei all dem Kummer über die Krankheit meines Sohnes, ich würde all die Freude und den Spaß, den sie bereitet haben nicht missen wollen. Selbst wenn sie ab und an richtige Stinkstiefel waren, so liebe ich meine Kinder, egal was immer sie getan hätten, ich hätte ihnen alles verziehen und gerade gebogen, so gut ich das tun konnte. Nein, ohne Kinder nicht, auf keinen Fall.
Ich beneide heute Frauen, die ihre Kinder, schon ganz klein in eine Einrichtung bringen können und sich dann um sich selbst kümmern und ihrer Karriere nachgehen können und dürfen. Allerdings, ich bin ehrlich, tun mir diese kleinen Würmer leid, die so früh in die Welt hineingeworfen werden, aber nur deswegen, weil mir meine eigenen schon leidgetan haben, wenn sie zum Kindergarten und später in die Schule gehen mussten. So lange es keine Zwischenfälle gibt, der Ablauf reibungslos ist, das Baby, das Kind nicht krank ist, klappt das alles. Wehe wenn Murphy zuschlägt, dann passt das alles nicht mehr. Da kann man dann nur noch sagen: Wohl dem, der eine Oma hat, auf die er zurück greifen kann.