Karen Rose ist eine sehr erfolgreiche amerikanische Autorin, deren Thriller weltweit gelesen werden. Mit ihrem Roman „Dornenmädchen“ ist ihr einmal mehr ein Werk gelungen, das den Leser mit dem ersten Wort in die Geschichte hineinzieht und erst mit dem letzten Wort wieder aus ihr entlässt. Ich gebe zu, dass ich ein wenig voreingenommen bin, was ihre Thriller angeht, denn ich bin ein absoluter Fan von ihr, das gebe ich unumwunden zu. Als ich ihr auf der Frankfurter Buchmesse begegnet bin, ein paar Worte mit ihr wechseln konnte, war ich durchaus überrascht von ihr. Natürlich verfolgt auch Karen Rose immer ein bestimmtes Muster in ihren Romanen, was der Handlung in diesem Fall keinen Abbruch tut.
Die Handlung des Romans spielt sich innerhalb weniger Tage ab, beginnt aber dreiundzwanzig Jahre davor und noch weiter zurück. Das verwirrt nicht, weil es keine Zeitsprünge in der Handlung gibt, aber die Aufklärung nur möglich ist, wenn Geschehnisse aus dieser Vergangenheit beleuchtet und richtig interpretiert werden können. Eins ihrer Talente ist es, den Täter mitten im Geschehen auftauchen zu lassen und man ist gerne bereit ihr auf den Leim zu gehen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Zur Handlung selbst:
Dr. Faith Corocran flieht aus Miami, wo sie als Dr. Faith Frye gelebt und gearbeitet hat. Sie verwischt ihre Spuren, ändert ihren Namen, gibt alles auf, was mit Faith Frye in Verbindung steht, da sie von einem Stalker verfolgt wird, der sie nicht nur stalkt, sondern ihr nach dem Leben trachtet. Faith arbeitete in Miami als Therapeutin. Ihr Ziel ist das alte Haus, das sie von ihrer Großmutter, deren Mädchenname sie angenommen hat, geerbt hat. Dieses Haus steht seit dreiundzwanzig Jahren leer. Faith hofft dort Zuflucht zu finden, ohne, dass der Stalker sie finden kann.
Der Special Agent Deacon Novak wurde erst vor Kurzem zu der Spezialeinheit des FBI nach Cincinnati versetzt. Er bat darum, um seinen jüngeren Bruder, der Probleme in der Schule hat, zu sich in sein Haus zu nehmen, das er gerade renoviert. Der Agent, sein Bruder und seine Schwester haben das Waardenburg-Syndrom, das einfach ausgedrückt eine Pigmentstörung, im Falle des Jungen auch eine Taubheit, zur Folge hat. Dieses Syndrom gibt dem Agent und seinen Geschwistern ein außergewöhnliches Aussehen und ihm die Chance zu einer außergewöhnlichen Erscheinung, die er über seine Kleidung unterstreicht. Die Beschreibung des Mannes durch die Autorin erreicht sofort, dass in den Gedanken des Lesers das Bild eines unwiderstehlichen Mannes entsteht.
Faith und Deacon begegnen sich auf der Landstraße, die zu dem alten Haus von Faith führt. Faith findet dort eine verletzte junge Frau, der sie im letzten Moment mit ihrem Auto ausweichen kann. Die beiden Menschen verlieben sich ineinander, können aber erst im späteren Verlauf dazu stehen. Deacon ist verwundert, dass Faith mit einer Schußwaffe neben dem verletzten Opfer saß, deren Verletzungen nicht von einem Unfall, wohl aber von einer schweren Misshandlung stammen. Nachdem bekannt ist, dass die verletzte, junge Frau gemeinsam mit ihrer Freundin entführt worden war, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.
Während der Suche nach der zweiten Entführten Frau, wird klar, dass Faith‘ Leben erneut in Gefahr ist, der Stalker gerät in den Fokus der Ermittler. Die Fäden laufen letztendlich bei dem Haus von Faith‘ Großmutter zusammen. Überflüssig zu beschreiben, dass Faith und Deacon sich nicht nur ineinander verliebt haben, sondern wider besseren Wissens, relativ früh in der Story auch im Bett durch rauschenden Sex ausleben.
Karen Rose führt ihre Leser mit einfacher, aber sehr plastischer Sprache durch ihr Werk. Man verliert nie den Faden, muss nicht rückwärts blättern und sie verliert sich nicht in seitenlangen Beschreibungen und trotzdem hatte ich das Gefühl auf dieser Landstraße zu stehen, wo Deacon und Faith sich das erste Mal begegnet sind, oder im sicheren Haus, das sie aufgeben mussten, oder auch nur schlicht bei der Polizei im Konferenzraum.
Ich lese häufig bei Büchern den Mittelteil nicht, nur, wenn ich sie nicht rezensiere, und zwar dann nicht, wenn ich am Beginn des Mittelteils das Gefühl bekomme, dass ich nichts versäume, wenn ich blättere. Das passiert bei Werken von Karen Rose nicht, da sie die Kunst beherrscht ihre Fantasie mit ihren Lesern, ohne lange Vorreden, bereits mit dem ersten Wort zu teilen. Erst ganz am Ende des Buches ist man als Leser wieder selbst Herr seiner Zeit, weil sie mit dem letzten Wort jeden wieder loslässt.
Ein Wort noch zu der Übersetzung, man darf hier nicht vergessen, dass das Buch aus dem Amerikanischen übersetzt wurde. Es gibt im Buch eine Stelle, die mich veranlasst hatte, mit Kerstin Winter, die es übersetzt hat, Kontakt aufzunehmen. Sie hat eine Superübersetzung geliefert, daran besteht kein Zweifel, und sie hat mir glaubhaft versichert, dass dieser tragische Fehler, den ich gefunden habe, nicht von ihr verursacht wurde, was ich unbedingt glauben möchte. Sie hätte mich ja ignorieren können, aber nein sie hat sich die Mühe gemacht in ihrer Übersetzung nachzuschauen, wie sie genau diese Passage übersetzt hat. Leider wurde ihre Übersetzung von dem deutschen Endlektorat so bearbeitet, dass diese Stelle, die ich nicht näher beschreiben möchte, deutlich fehlerhaft ist. Bei Gelegenheit werde ich das gesamte Kapitel in englischer Sprache lesen, um zu erfahren, was die Autorin selbst geschrieben hat. Karen Rose hat einen Faible für außergewöhnliche Täter mit außergewöhnlichen Neigungen, aber gefühlt toppt sie in diesem Roman, bezogen auf die Anzahl der Leichen alle vorherigen Werke, wobei der Zeitraum von dreiundzwanzig Jahren eine große Rolle spielt.
Ich kann das „Dornenmädchen“ von Karen Rose empfehlen.