Wünsche und Träume

Am Sonntag hatte ich Besuch. Sehr netten Besuch, den ich mir eingeladen habe. Kommen waren meine Ma und eine Dame aus der Residenz in der die beiden leben. Ich habe für sie gekocht, dann haben wir Kaffee getrunken und einen entspannten Tag miteinander verbracht. Es war richtig gut, ein Nachmittag in angenehmer Atmosphäre und zwei Frauen in guter Stimmung, dabei witzig, spritzig, unterhaltsam. Dann kam eine Frage, auf die ich so gar nicht vorbereitet war und die in letzter Konsequenz die Vergänglichkeit eines Lebens sehr deutlich zeigt.

Die Frage war: Ob wir noch mehr Verwandtschaft hätten, womit aus der Unterhaltung heraus die Verwandtschaft gefragt war, die wir die „Altvorderen“ nennen. Nö, da ist nix mehr, außer diversen Cousinen, mit und ohne Nachwuchs, und derer auch nur zwei. Tja, so ist das eben, wenn die Altvorderen nicht mehr da sind, dann sind wir eben die nächsten, mehr oder weniger schnell. Also keine Zeit mehr rumzuhampeln. Oder doch gerade eben deswegen. Alles langsamer angehen, warten was passieren wird, den Gedanken haben, es kann Dir niemand mehr an den Karren fahren, weil Du alles durch hast, was in Deinem Leben durchzuschieben war? Oder gibt es da noch diese stillen, unerfüllten Träume? Wenn ja welche? Ist die Zeit schon da, um in der Traumschublade aufzuräumen und zu gucken, was geht. Immerhin kann es rasend schnell gehen und dann ist alles vorbei, und die Träume, diese kleinen, ganz hinten, bleiben unerfüllt unentdeckt, vernachlässigt. Habe ihr ein Traumbuch, wurscht wie groß das ist, oder jemals gewesen war, in dem ihr Euch Eure Träume notiert habt? Wenn ja, wie viele haben sich in Eurem Leben erfüllt? Könnt ihr sagen, so wie Euer Leben verlaufen ist, war es gut und ihr hättet nichts anders gemacht, als ihr das getan habt? Habt ihr Fehler gemacht, die ihr gerne ungeschehen machen würdet, könntet ihr es? Gibt es Dinge in eurem Leben, die ihr gewünscht habt, die ihr Euch erfüllt habt oder die erfüllt wurden, von denen ihr enttäuscht gewesen seid und die ihr nicht wieder haben wollt. Macht ein Rückblick, eine Bestandsaufnahme überhaupt Sinn?

Sagen wir so, ob das Sinn macht oder nicht, das werdet ihr dann sehen. Ob es Euch Zufriedenheit bringt, oder Euch antreibt, das werdet ihr spüren. Ob manche Wünsche immer noch gerne erfüllt werden wollen, oder ob sie sich irgendwie überlebt haben, auch das werdet ihr dann sehen, legt sie in der Schublade einfach auf den Berg unerfüllt erledigt. Das macht keinen Sinn, sagt ihr, doch das macht einen Sinn, weil manche Wünsch, Träume sich im Laufe eines Leben einfach erledigen, sich überdauern und wenn man das dann sieht, dann merkt man, dass passt. Ein Beispiel: Ich wollte immer Mal aus den Wolken springen. Kein Dauerabo auf Fallschirmspringen, nein, das nicht, aber eben dieses eine Mal. Dann kamen die Kinder und ich habe es mir verkniffen, weil ich im Hinterkopf hatte, dass ich das nicht riskieren wollte. Nun denke ich, dass ich das nicht mehr haben muss und ganz ohne Bedauern ist das für mich erledigt und wie es sich erledigt hat, ist es gut. Solche Träume eher waghalsiger Art, habe ich von dem Moment an sein lassen als ich Kinder hatte. Gut heute kommen einige dieser Träume wieder und wer weiß, vielleicht lässt sich der eine oder andere irgendwann umsetzen.

Natürlich habe ich Fehler in meinem Leben gemacht. Wer tut das nicht, wer hat das nicht, wer wird das niemals tun? Das sind Fehler, die aus Situationen heraus entstanden sind, die ich heute im Rückblick natürlich vollkommen anders bewerte, aber damals eben nicht. Da sind Fehler dabei, die absolut doof waren, die ich aber irgendwie nicht bereue und die ich um Himmels Willen nicht wieder machen werde. Da sind Fehler dabei, die wiegen, für mich rein objektiv betrachtet schwer, jemand anderes, der würde das eventuell nicht so sehen. Da sind aber keine Fehler dabei, die ich mit Absicht begangen habe, die ich aber dennoch nicht mehr korrigieren kann. Ist so, kann ich nicht ändern.

Da stehe ich nach einem solchen Nachmittag, sehe diese beiden alten Frauen, ein Leben gelebt und nun im Ruhestand, ohne Partner die bereits vorausgegangen sind und auf Hilfe angewiesen. Prickelnd? Ich weiß nicht, dennoch für sie lebenswert. So muss man das sagen. Über Träume, die sie verpasst haben, reden sie nicht, vielleicht war das nie Thema in ihrem Leben, weil dazwischen Krieg war, der im Grunde keine Träume zugelassen hat. Also ich bin da, ohne Altvorderen, außer meine Ma und überlege, dass es Zeit ist in meiner Traumschublade aufzuräumen. Ob ich sie umsetzen werde? Keine Ahnung. Ob welche dabei sind, die in der nächsten Zeit, nach genauerer Überprüfung ablegen kann, werde ich sehen. Sie gehören zu mir, wie meine Fehler, so ist das bei mir wie bei allen anderen Menschen übrigens auch. Träumt ein wenig, schreibt Euch mal die vergangenen Wünsche auf, die erledigten, die offenen. Ihr werdet überrascht sein.

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